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Peter Krahé – Christina Allamoda-Krahé – Chika Aruga und Arno C. Schmetjen

Malerei, Grafik, Collage und Objekte

Torhaus Wellingsbüttel - www.kulturkreis-wellingbüttel.de - Wellingsbüttler Weg 75b - 22391 Hamburg

1. - 22. Mai 2016 - samstags 14-17 Uhr, sonntags 11-17 Uhr

Hier die Rede, die ich zur Vernissage am 1. Mai vorgetragen habe: 

Wir sind vier Künstler, die sich z.T. schon sehr lange kennen und zeitweilig ein Atelier in Ottensen geteilt haben - später mehr dazu. Eine Gemeinschaftsausstellung wird Ihnen hier geboten, facettenreich, kunterbunt und tiefschwarz. Sie sehen hier pralle Malerei neben feinen Grafiken, Zeichnungen und Meditatives in Acryl, Zusammengeschraubtes, Hingeworfenes sowie aufwendig Vernähtes, Schalkhaftes, Skurriles, Heiteres, Düsteres und luftig Leichtes - warten Sie ab.

 
Anfangen möchte ich mit der Jüngsten im Bunde  -
 

Chika Aruga, sie wurde 1975 in Nagano, Japan geboren und hat von 1993-97 an der Musashino Art University in Tokyo bei Prof. Keiji Usami studiert. Ab 1999 führte sie ihr Studium in Deutschland fort an der Hochschule für Künste in Bremen bei Prof. Schaefer. Dort machte sie 2005 ihr Diplom und war 2006 in der Meisterschülerklasse ihres Professors. Heute lebt und arbeitet sie in Hamburg und hat ihr Atelier in Stellingen.

Chika und ich kennen uns noch nicht so lange, aber als ich ihre Bilder das erste Mal sah, da war ich sogleich total begeistert von ihren Arbeiten.

Ich habe Chika Aruga als eine sehr stille, zurückhaltende Malerin kennengelernt, die uns einen Hauch von Japan in den Westen bringt.

Obschon in der Art und Weise ihrer Malerei sehr modern, schwingt doch immer auch eine Erinnerung an die traditionelle Japanische Malerei mit. Sie steht in der und zu der Tradition, weitet diese aber weit über deren Grenzen hinaus aus. Wir fühlen uns in Japanische Landschaften hineingezogen, blicken in ein buntes Blütenmeer oder wehendes Herbstlaub. Und dennoch sehen wir in den vielschichtigen Gemälden Hinter- und Vordergründe, die uns auch an etwas ganz Anderes denken lassen - an "Innere Landschaften", "Orte ohne Worte" so lauten ihre Ausstellungstitel z.B., oder "Durch das Dickicht", "Im Lichte des Schattens", "Am Rand der Nähe" oder "Rauschen der Erinnerung" -  allesamt sehr poetische Titel, die das Wesen ihrer Bilderwelten unterstreichen. Schauen wir länger auf ein Bild von ihr, eröffnen sich unterschiedliche Ebenen. Vorder-und Hintergrund scheinen sich abzuwechseln. Das hat auch damit zu tun, dass der blaue Himmel zum Schluss eingefügt wird, die Farbe über das zuvor entstandene Dickicht an Pflanzen aufgetragen wird, es dadurch reduziert und Tiefe erzeugt wird. Die Bilder wirken anders aus der Nähe als mit einigem Abstand betrachtet.

Ich will hier Chikas eigene Worte zitieren:

"Die alpine Landschaft, in der ich aufgewachsen bin, prägt mich sehr. Die Wahrnehmung von Weitem und von Nahem…… Die Japanische Malerei hat auf mich einen großen Einfluss. Es gibt keine Zentralperspektive. Linien erzeugen neue Räume und Grenzen. Einfarbige Flächen können Harmonie erzeugen oder stören……"

Zitat Hans Brinkmann:

"Ihr Thema ist der schöpferische Akt selbst, der immer wieder Neues hervorbringt. Bei jeder Wiederholung…. Nicht von ungefähr assoziiert man „Gärten“ oder „Parks“ mit ihren Bildern. Gehegte Natur, die dem ordnenden Eingriff unterliegt, ihm andererseits aber auch entgegenwirkt."

Und tatsächlich haben wir das Gefühl wir könnten Chika Arugas Landschaften und Gärten betreten, die sie vor uns ausbreitet, darin zu spazieren oder uns gar zu verlieren mit den Augen. "Komm in mein Land" scheint sie uns sagen zu wollen, es ist so schön - ist Chika eine heimliche Botschafterin Japans?

Ihre Bilder sind genau durchkomponiert und sie nimmt sich viel Zeit dafür. Es wirkt wie eine Meditation. Da sie mit z.T. stark verdünnten Acrylfarben arbeitet dauert der Malprozess entsprechend lange. An der Staffelei entsteht ein farbenfrohes und mitunter chaotisch anmutendes Dickicht an, ja was sind es? Pflanzen oder Blumen, Blätter? Nach diesem ersten Arbeitsschritt werden die Leinwände auf dem Atelierboden liegend mit wässrigen Farben partiell übermalt, leicht lasiert oder zart beträufelt und trocknen so über Nacht. Am nächsten Tag kann es dann weitergehen. Zitat: "ich verwende flüssige Farben und trockene Farben. Überlagerungen und Schleiftechnik spielen eine wichtige Rolle, um Spuren der unteren Sichten sichtbar zu machen. Linien werden mit weichem Pinseln gemalt."

Chika arbeitet viel auf dem Boden, es entstehen gleich mehrere Bilder nebeneinander, ganz große oder ganz kleine. Ganze Zyklen entstehen so. Zyklen, die sich z.T. auch weit entfernen von dem Sujet der Landschaft, sich in die Welt des Mikrokosmos begeben. Manche Bilder wirken wie unter einem Mikroskop betrachtet. Aber auch Architektonisches aus ferner Zukunft scheint aufzublinken, Himmelskörper, zwischen denen man Raumschiffe vermuten kann, die Weite des Weltalls - der Makrokosmos.

Dieses Spiel von Weite und Nähe zieht sich durch die Arbeiten der zarten, sehr charmanten Künstlerin. Zitat:"Es ist immer ein Versuch, verschiedene Aspekte der Realität zusammenzuführen…..Als ich ein Kind war, ging es mit unserer Gesellschaft wirtschaftlich nur bergauf. Und alle glaubten daran, dass die Welt immer so bleibt. 2011 gab es plötzlich durch den Tsunami und die Fukushima-Katastrophe einen großen Einschnitt, der alles in Frage stellte.

In meinen Arbeiten versuche ich auch deswegen, Inhalte in eine positive Richtung zu drehen." Danke dafür.

www.chika-aruga.com
 

Christina Allamoda, Jahrgang 1965, im Niedersächsischen Lehrte geboren, hat mit 20 Jahren begonnen, Kunst zu studieren, zunächst in Bonn, dann ab 1989 in Hannover, wo sie ihren heutigen Mann, Peter Krahé kennenlernte, ihren Dozenten (später mehr dazu) und er war nicht nur Christinas Lehrer, sondern er war auch mein Meister, wenn ich so sagen darf - Christina ist mithin eine ehemalige Studienkollegin von mir - knapp 30 Jahre ist es her.

Bunt ja, vielfarbig erstrahlt die Welt der Christina Allamoda, scheinbar angelegt als ein Kaleidoskop oder Karussell der Farben, zeigt sie uns Herzensbilder gereifter Art,  hingelegt in pastosem Farbauftrag, haptisch erfahrbar. Vielfältig bunt mit einem Hang zum Schwarz - eingesetzt als Gegengewicht zu der freudestrahlenden Bilderwelt die uns entgegen kommt.

Eine Auswahl an Arbeiten aus den letzten 20 Jahren können wir hier erleben.

Christinas Katalog beginnt mit einem Zitat von ihr:"Ich finde es schön, wenn meine Kunst auch eine Spur Kindheit beim Betrachter weckt." Und ich denke das ist ihr gelungen. Mal mit den pastos aufgetragenen Acrylbildern "Viele bunte Smarties", wie sie eine ihrer Bilderreihen nennt, die bis in die Mitte der 90er Jahre zurück reicht. Im 1. Stock warten noch mehrere davon auf Sie. Hier scheint die Künstlerin ihr Herz nicht auf der Zunge, sondern auf der Leinwand zu tragen. Freundlich kommt sie uns so entgegen, die Bilder versprühen eine gewisse kindliche Naivität, die unverstellt berührend wirkt. Bilder, die man wie Kinder an die Hand nehmen möchte.

Da schreiten auch schon mal Fabelwesen durch ihre Arbeiten z.B. ein blauer Elefant. Wir sehen Blumen, die an Gärten denken lassen, Tiere wie von Kinderhand gemalt und immer wieder Herzen, in unzählig bunten Facetten. 

Die Künstlerin Allamoda ist zudem Mutter und hat daher ihre Kunst seltener gezeigt. Jetzt wo die Kinder flügge sind und studieren, kommen die Schätze wieder ans Tageslicht und wir können uns daran erfreuen.

Wer sich Christinas Bildern anheim gibt wird erfahren, dass Schönheit immer auch mit einem Fragezeichen versehen wird und niemals kunterbunt daher kommt, nur um ihrer selbst willen.

Im Kontext der marktgängigen, oft aber blut-und herzlosen Konzeptkunst unserer Tage bezieht die Künstlerin eine Position gegen intellektuelle Überstrapazierung in der Kunst,  die aufmerken lässt, denn die Malerei als Kunstform galt für lange Jahre als totgesagt - aber: Totgesagte leben länger. Der Umschwung ist Gottseidank seit einiger Zeit in vollem Gange.

Bei Christina Allamoda sind die Bilder prall voll mit Farbe, das Atelier lässt grüßen, die Leinwand ist als Erlebnisfeld erfahrbar.

Hier sehen wir einen spielerischen Umgang mit Material und Farbe. Nichts Gestelztes findet sich hier.

Nicht minder spielerisch wie die Acrylbilder und Collagen sind ihre "Erinnerungskissen", wie sie sie nennt, eine Art Patchwork - textile Kunst, die die unterschiedlichsten Stoffe in sich vereinen, vernähte Reste, aus Leinen und Seide, Gehäkeltes neben Baumwolltuch, Filz und Spitzen, gespickt mit goldenen Applikationen, gelben Knopfaugen und einem Indianerhäuptling, der über alle wacht. Grüne Fäden halten alles zusammen, durabel gefasst, doch obschon deutlich als Kissen erkennbar, der Respekt verbietet jede Sitzprobe.

 Bruchstückhaft scheinen sie Erinnerungen zu tragen. Genähte Geistesblitze? Denn stets sind sie mit Worten oder Sätze bedruckt auf stofflich-farbigem Grund wie "Out of joy", "Schlaf gut süßer Brei", "Die Seele hört im Sehen", "Geistesblitze". Man spürt die Frauenhand, die Näherin, kein Mann kann so etwas, nee, nicht so!

Nicht so bei ihren aquarellierten Collagen - die scheinen durchaus inspiriert zu sein von den "Blauen Reitern". Sie erinnern an das Marokko eines August Macke oder an Aquarelle von Paul Klee. Auch hier der Verweis auf die Tradition ,aus der wir alle vier kommen, jeder auf seine Weise. Es herrscht Farbenfreude vor in den gekonnten Stillleben von 2009 mit ihren Zitronen, Orangen und Kirschen. Ein Bravo an die Künstlerin, die ihren Farbtuben alles abverlangt und am Ende obsiegt, um uns zu beglücken.

 

Peter Krahé wurde 1941 in Gotha/Thüringen geboren. Mit 20 beginnt er ein Kunsterzieherstudium  an der Kunstakademie Düsseldorf und setzt es bis 1967 an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg fort. 1970 - 1980  arbeitet er dann als Assistent bei Paul Wunderlich hier in Hamburg. 

Peter, der Lehrer…..

Danach unterrichtet er von 1981 – 2008, also 26 Jahre, als Dozent an der Fachhochschule Hannover, Fachbereich Kunst und Design, wo er einen Lehrauftrag bekommen hat im Studiengang Bildende Kunst für das Fachgebiet künstlerische Techniken mit den Schwerpunkten Malerei und Abformung.

Wir haben sehr viel gelernt von Dir damals und ich bin Dir noch heute dankbar dafür! Das Handwerkliche, es fing an mit dem richtigen Umgang verschiedenster Malmaterialien wie Öl-, Tempera- oder Acrylfarben, Pigmenten, Bindemitteln, selbst angefertigte Gouachen, Malgründe erstellen und lernen, wie man Leinwände richtig aufzieht, damit sie nicht schief werden bis hin zur  anspruchsvollen Ölmalerei alter Meister - vom Rohleinen bis hin zum Schlussfirniss. Ich erinnere ganz gerne die Tage im Landesmuseum Hannover, wo wir Studenten, gerüstet mit Staffelei und allerlei Malerzeugs stundenlang vor den Gemälden alter Holländer und Italiener  saßen und diese minutiös kopierten - oder es wenigstens versuchten…… 

Peter, der Künstler…..

Aber er war zu der Zeit nicht nur als Dozent tätig - er hat all die Jahrzehnte auch stets seine eigene Kunst vorangetrieben in seinem Atelier im Hamburger Karo-Viertel, wo er seit 1969 ansässig ist.  Sie ahnen es schon - wir haben es hier mit einem steten Geist zu tun.

Das lässt sich auch an seinen Bildern ablesen - er hat seine Nische gefunden und ist ihr stilistisch treu geblieben. Wer sein Atelier kennt wird konfrontiert mit manchen Provokationen, großformatigen Leinwänden, über die schrille Punkerinnen spazieren, Kumpels treffen sich  zum Zelten, Bier und Grillen, aber die Szene eingebettet im häuslich, kleinbürgerlichen Wohnzimmer. Oder eine große Konfirmationsgesellschaft posiert, das Töchterlein im weißen Kleidchen und Blumen im Haar - der Haken dabei….alle freundlich dreinschauende Gesichter sind in Giftgrün gemalt - Krahés Bilder entlarven - man muss sie sehen….In seinen Bilderwelten stecken - wie auch nicht anders zu erwarten - viel malerisches und handwerkliches Können, eine große Virtuosität im Umgang mit den Materialien. Aber darüber hinaus steckt hinter den Bildern ein Schelm, der uns auf seine Art verblüffen oder auch zum Schmunzeln bringen will - manch einen Gruselschauer lockt er auch bei uns hervor, oft erst auf den zweiten Blick.

Peter, der Träumer und Chronist…..

Die Auswahl, die wir hier sehen können, befasst sich mit den "Traum-Bildern" und "Traum-Zeichnungen"  - sein aktuelles Hauptthema (begonnen bereits Ende der 90er Jahre). 

Meistens geht es um Hintergründiges, eigenartig Skurriles,  von dem Peter Krahé in seinen Träumen erfährt. Mit Taschenlampe und Notizbuch neben dem Bett notiert er beim nächtlichen Aufwachen sofort das Traumgeschehen, denn binnen Sekunden kann der Traum zerrinnen, wie wir alle wissen aus eigener Erfahrung. Das ist ja schon fast ein Sport, was du da treibst.  "Traum-Notizen" (wie er sie selber nennt) hat er seit  Ende der 60er Jahre angesammelt als Jahrgangsmappen voll mit Texten und Skizzen. Nach diesen Skizzen entstehen dann die Bilder. Ein langer Arbeitsprozess beginnt, um dem Geträumten Gestalt zu geben.

Ein sich den Träumen verschriebener Maler mithin, oder "Traumpaparazzo", wie er sich selbstironisch sieht, der eine Chronik zusammenstellt der Bilder seiner Nächte und das schon wie gesagt seit Jahrzehnten, um sie nun künstlerisch umzusetzen - da kommt einiges zusammen an vielschichtigen Einsichten in deinen Schlaf, lieber Peter - oftmals durchaus Humorvolles oder gar Sarkastisches, Erheiterndes oder Erschreckendes. Hat schon mal ein Psychologe Deine Bildwerke gedeutet…….? 

Peter Paulwitz-Matthäi  schreibt in seiner Rede anlässlich der Ausstellung "aus der Traum" im Feb. letzten Jahres im Künstlerhaus Sootbörn in Niendorf:

Zitat:"Seine Arbeiten sind nicht alltäglich und gänzlich ungewöhnlich, künden jedenfalls vom Einbruch des Fremden in das Gewohnte, sie lassen uns staunen, sie verunsichern und verstören auch..." 

Wie zum Beispiel dieses Quartett der Köpfe, genannt Doppelauge, Schattengesicht oder Doppelkopf, gemalt und gezeichnet. Es weht uns ein Hauch aus der Welt des Edgar Allen Poe an - oder der Kopflose dort drüben - ein Body mit makellosem Sixpack, aber inwendig hohl dient es lediglich ausgerechnet einem Strauß Narzissen als Vase…. ein wohlgesetzter Seitenhieb auf den mitunter arg narzistischen Körperkult.

Ist es so gemeint, oder ganz anders? Man kann darüber spekulieren und die Bilder lassen uns die Freiheit, es zu tun, denn sie sind durchaus mehrdeutig.

Und eben diese Mehrdeutigkeit bringt uns Betrachter dazu, das Unfassbare, was in den Bildern liegt zu fassen, es eine Bedeutung zu geben, die unserer eigenen Fantasie entspringt. Das Bild entsteht im Auge des Betrachters. 

Peter, der Geschichtenerzähler

In seinen Bildern stecken oft auch Geschichten, er bietet sie uns an - zu Ende erzählen müssen wir sie aber für uns selber. Und da ist Peter Krahé ganz nah bei Salvador Dalí, der uns Kunstsüchtigen ebenfalls seine Traumfetzen hinwarf, an denen wir uns noch bis heute die Zähne ausbeißen können. Hinter den Spiegel können wir nicht schauen.

Und es gibt aktuell einen schwedischen Fotokünstler, den ich hier nennen möchte, der 31jährige Erik Johansson, der in Prag lebt. Er fängt mit seiner Kamera Bilder ein von zumeist Schwedischen Landschaften und traumhaften Orten und schafft im Studio mithilfe von Computer und Photoshop daraus ähnliche surreale Traumwelten, die uns staunen lassen. Ich zitiere aus dem Spiegel letzter Woche: "Eine Wiese zerfließt zum Wasserfall, eine Frau rudert in ihrem Bett über einen See, und eine Stromtrasse endet als Saiten einer riesigen Gitarre." Die Außenwelt wird durch die Innenwelt des Künstlers auf den Kopf gestellt, erfährt eine Weiterung und Umdeutung. Ein zweites Tableau eröffnet, die Welt hinter der Welt. Es gibt hier große Ähnlichkeiten zu Peters Bildern - einfach mal im Internet nachschauen. 
www.peterkrahé.de

 
Und nun ich - was soll man sagen über sich selber?

Ich bin geboren 1957 bei Stade. Von 1984-90 habe ich Freie Kunst studiert in Hannover-Herrenhausen bei Prof. Günter Sellung und das Studium 1990 mit einem Diplom abgeschlossen. Heute lebe und arbeite ich in meiner Heimat als freischaffender Künstler. 

Ich habe einige Assemblagen mitgebracht - im 1. Stock - über die die Kunsthistorikerin Dr. Gabriele Hovestadt folgendes geschrieben hat:

"Arno Christian Schmetjen befragt das Material für seine Assemblagen im künstlerischen Dialog und lotet so die ihm innewohnenden sensuellen Reize aus. Seine Achtung vor dem Material äußert sich auch darin, dass Schmetjen Einzelelemente wie rostiges Werkzeug, Knöpfe, ausrangierte Küchenutensilien,  alte Haushaltswaren und Malerpinsel sowie Relikte aus der DDR-Zeit, also: Alltags- und Gebrauchsgegenstände sammelt, archiviert, dokumentiert. Sie bilden ihm eine Art moderne Asservatenkammer, aus der er sich frei heraus bedienen kann. Schmetjens Formverständnis und Gestaltungswille spiegelt sich in den Objekten, denen durchaus das spielerische und augenzwinkernde Moment nicht abhandenkommt. Für ihn hat jedes Teil, sei es auch abgenutzt, schäbig, unvollständig und defekt,  ästhetische Qualitäten." 

 

„DER SCHWARZE FADEN“

 

Kunst entsteht niemals im luftleeren Raum! Sie reagiert stets auf die Zeit, in der sieentsteht. Sie dokumentiert den Zeitgeist – sei es philosophisch, sozial, politisch technisch. Kunst spiegelt zugleich den Zustand der Moderne. Sie gibt etwas Preis von ihren Wertevorstellungen, ihren Krisen, aber auch ihren Aufbruchsstimmungen. Kein Mensch, schon gar kein Künstler, kann sich dieser Erkenntnis verweigern und entziehen. Wesentlich ist dabei, dass die Kunst von heute – anders als noch im 19. Jahrhundert - nicht darauf abzielt, Weisheiten zu verkünden oder programmatische Richtungspunkte zu definieren. Die Welt von heute, global und spezialisiert, ist dafür viel zu komplex.

Vielmehr versucht Kunst eine Form der Orientierung zu geben, um damit gleichsam Wege und Möglichkeiten aufzuzeigen, sich dieser Welt zu stellen, sie kritisch zu hinterfragen, auf seine Potentiale hin auszuloten und die Erkenntnisse künstlerisch zu kommunizieren. Stilistisch gibt es keine Grenzen oder Begrenzungen mehr. Die Künstler sind frei in der Wahl von künstlerischen Mitteln und Ausdruck, sei es die elementare Farbmalerei, die eher spröde konzeptionelle Kunst oder die Installation – sei es abstrakt oder figürlich, gestisch oder radikal!
 
Bezogen auf den Akt des Sehens, bedeutet dies eine große Herausforderung fürden Betrachter: Staunen und Neugierde sollen aber rein strategisch auch bedeutet, dass der Betrachter seine Wahrnehmung im Diskurs erweitern muss: er soll ergründen und hinterfragen! Sein Erfindungs- und Kombinationsvermögen soll als Instrument der aktiven Bildlektüre eingesetzt werden. Schon Oscar Wilde verkündete einst in „Der Verfall der Lügen“ (1889): „Ein großer Künstler sieht die Dinge niemals so, wie sie sind, denn wenn er sie so sähe, wäre er kein Künstler mehr.“
 
Arno Christian Schmetjen, vielfach ausgezeichnet und national wie international in Einzelausstellungen gewürdigt, ist eben einer dieser Künstler des 21. Jahrhunderts, der die Dinge in der Tat anders sieht, sie anders sehen kann, als ihre herkömmliche und etablierte Bestimmung und Nutzung es definiert.

Die Kunst des 1957 geborenen Arno C. Schmetjen begeistert ihr Publikum prima vista aufgrund ihrer Vielfältigkeit, ihrer künstlerischen Bandbreite. Ein Blick in den Ausstellungsraum lässt schnell erkennen, dass wir es mit einem ungemein produktiven, disziplinierten Kunst-Produzenten zu tun haben. Er ist gewissermaßen ein – ich verwende den Begriff mit großem Respekt – „Tausendsassa“, der den „horror vacui“, also das leere Blatt, nicht scheut: Er vereinigt in seiner Person den Maler und den Grafiker ebenso selbstsicher wie den Zeichner und den Objektkünstler!

 

Er beherrscht die Klaviatur stilistischerer und technischer Meisterschaft, es stehen expressiv anmutende Grafiken selbstbewusst neben gestischer Malerei und spannend arrangierten Collagen. Er nimmt sich alle Freiheiten, die das bildnerische Produzieren im letzten Jahrhundert und den letzten Jahrzehnten angeboten hat, aber, meine Damen und Herren, er ergänzt und erneuert es auf ungeahnte, ja unkonventionelle und dabei äußerst experimentierfreudige Art. Gerade weil er keiner Struktur verpflichtet ist, sind alle Regeln außer Kraft gesetzt – das ist der Vorteil des Künstlers im 20. und 21. Jahrhundert. Zugleich birgt diese Freiheit aber auch viele Fallstricke, ist das Suchen und Finden, das Entwickeln und Etablieren des eigenen Stils, der eigenen Handschrift, angesichts des Kunstmarktes und seiner etablierten Protagonisten umso schwerer. Arno C. Schmetjen jedoch hat sein Territorium gefunden!!!

 

Bestimmt haben Sie es schon bemerkt: in der Ausstellung mit dem Titel „Der schwarze Faden“ zirkuliert nämlich in der Tat ein schwarzes Material, das vom Künstler in unterschiedliche bildnerische Zusammenhänge gesetzt wird, um von dort aus seine diversen Texturen regelrecht aufzufächern, zur Schau zu stellen. Der rote, pardon „schwarze Faden“ entwickelt sich zum rhetorischen und didaktischen Instrument, folgen wir ihm doch gespannt und aufmerksam und sehen dabei zu, wie der Künstler das Material wie einen Fixstern umkreist, sich ihm von Bild zu Bild, von Collage zu Collage, von Objekt zu Objekt nähert, den Kunst-Stoff und damit den Bildraum erobert.

Es handelt sich bei dem „schwarzen Faden“ um Carbon, also um einen Kunst- Stoff, der insbesondere in der Luft- und Raumfahrt, aber auch in der Windenergie, im Schiffsbau sowie im Fahrzeugbau und sogar beim Hochhausbau eingesetzt wird,
Kohlenstofffaserverstärkte Kunstfaser, kurz CFK. Es wird als absolutes Zukunftsmaterial gehandelt, ist extrem leicht, stabil, teuer, praktisch verschleißfrei, ein ideales Baumaterial! Niedersachsen und Süddeutschland stehen in dieser Hinsicht an der Spitze in Europa.
 
Der Künstler ist begeistert von dem Stoff: „Es ist ein total spannendes Material, leichter als Aluminium und härter als Stahl, das sich in jegliche Form bringen lässt.“ Das niedersächsische Stade ist Heimstatt für das so genannten CFK Valley, dem Forschungs- und Entwicklungszentrum für Carbonfaser, das 2010 eröffnet wurde. Und von dort gab es auch die Anfrage an den Künstler, ob er nicht Lust habe, den Entwicklungsprozess des Materials zu begleiten: Welch‘ einegrandiose Herausforderung für einen Künstler!  Seitdem lässt ihn das „schwarze Gold“, wie Carbon in Fachkreisen auch gefeiert wird, nicht mehr los – was nicht folgenlos für Schmetjens Kunst bleibt.
 

Er entlockt diesem Werkstoff eine Fülle an Sinneseindrücken und Ausdruckswerten, er expandiert mit dieser Faser die kreativen Möglichkeiten und fügt sie ganz natürlich in seinem künstlerischen Schaffensprozess ein. Hatten noch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer wieder und in regelmäßigem Lamento Kunstkritiker das Ende der Malerei heraufbeschworen, weil sie nicht das geeignete Medium sei, um aktuelle Debatten und Fragestellungen adäquat zu spiegeln und letztlich zu diskutieren, sehen wir uns hier genau und zwar auf erfrischende Weise mit dem Gegenteil konfrontiert. Dabei agiert Schmetjen nicht plakativ und manipulativ. Vielmehr ist er originell und dezent, indem er neben Carbon auch solche, eher der Alltagskultur entnommene Ingredienzen verarbeitet.

 
Schmetjen befragt das Material im künstlerischen Dialog und lotet so die ihm innewohnenden sensuellen Reize aus. Seine Achtung vor dem Material äußert sich auch darin, dass Schmetjen Einzelelemente wie Knöpfe, ausrangierte Küchenutensilien, Haushaltswaren und Wohnaccesoires, alte  Malerpinsel sowie Relikte aus der DDR-Zeit, also: Alltags- und Gebrauchsgegenstände sammelt, archiviert, dokumentiert. Sie bilden ihm eine Art moderne Asservatenkammer, aus der er sich frei heraus bedienen kann – ein Blick in den Ausstellungsraum gibt lebendig Auskunft über Schmetjens Formverständnis und Gestaltungswillen, dem durchaus das spielerische und augenzwinkernde Moment nicht abhandenkommt. Für ihn hat jedes Teil, sei es auch abgenutzt, schäbig, unvollständig und defekt, ästhetische Qualitäten.

Dank seiner vitalen Vorstellungskraft verleibt er den Gegenstand eine eigene Ikonografie ein! Ja er bemächtigt sich ihrer zur Umsetzung seiner Vision. Aus seinem ursprünglichen Kontext herausgelöst, bringt er sie durch Arrangement,

Montage und Collage zu ungeahnter Kraft und Poesie – ohne, und das ist wichtig – ihre Ursprünglichkeit zu negieren.
 

Arno C. Schmetjen arbeitet mit dem Blick des „bricoleur“, des Bastlers, der seine Themen in dem, was ihn umgibt, findet und erkennt. Und er hat den Blick für das Bild hinter dem Bild, also jenes Arsenal an Bildern, das hier und zwischen der ersten Wahrnehmung liegt. Schmetjens Vorgehen, mit dem er die Energiepotentiale von Materie, Struktur und Textur regelrecht durch dekliniert, zeigt sich vielfach. Wie ein Jongleur spielt er unterschiedliche Gestaltungsmuster von Flächigkeit und grafischer Linie durch, mal geometrisch abstrahierend, mal malerisch figürlich, spannt er die Carbonfäden, die im Übrigen aus bis zu 6000 Einzelfasern bestehen, in verschiedenen Richtungsmomenten durch den Bildraum und zergliedert diesen. Das Carbon ersetzt ihm bisweilen den Strich mit dem Pinsel. In verschiedenen Arbeiten aus dem Zyklus „CARBON ART“ hat er sogar noch Bienenwachs über das Kunstgewebe appliziert und zerfasert dieses schließlich unter dem Wärmeeinsatz eines Bügeleisens.

 

Ein Blick in das Archiv der Kunstgeschichte zeigt, dass vor gut 100 Jahre, ca. 1910/11 Picasso und Braque ebenfalls damit begannen, das klassische Tafelbild mit anderen Materialien, etwa Zeitungsausschnitten, Furnieren oder Stoffresten aufzubrechen, es zu erweitern und damit zu revolutionieren. Gefolgt von Dadaisten, Futuristen und Surrealisten wurden insbesondere die künstlerischen Möglichkeiten der Collage systematisch auf ihren Illusionsgehalt und Überraschungseffekt hin ausgelotet, ja auf ihre Kunsttauglichkeit hin überprüft. Auch Marcel Duchamp mag uns in den Sinn kommen, der gewohnte Wahrnehmungsmuster und -kategorien außer Kraft zu setzen versuchte, indem er das sogenannte objet trouvé, hier das Ready made, zum Kunstobjekt stilisierte.

In der Kunst des 20. Jahrhunderts gibt es auch noch weitere Künstler, die dem Bildraum in diesem Sinne innovative Impulse verliehen. So etwa Kurt Schwitters mit seinen abstrakten Kompositionen aus Wirklichkeitsfetzen, wie Zeitungsausschnitten, Reklame und Abfällen, die er zu Collagen verarbeitete. Emil Schumacher baute u.a. Draht in seine Bilder ein. Oder Willi Baumeister, der mit unterschiedlichen Sandkörnungen und Spachtelkitt arbeitete und motivische Anregungen aus der prähistorischen und altorientalischen Kunst in seine Bildwelt überführte. Leander Kresse, Meisterschüler von Markus Lüpertz, arbeitet seit einigen Jahren ebenfalls mit ungewöhnlichen Materialien, etwa mit Molton als Maluntergrund und mit verschiedenfarbigen Klebestreifen.

 

Nirgendwo jedoch wird die Vorgehensweise so eindringlich und stringent vorangetrieben wie bei Arno C. Schmetjen und so handelt es sich eben auch im Vergleich zu den oben erwähnten Künstlern nicht um ein solches industrielles Zukunftsmaterial wie CFK – das im Übrigen bis heute noch nicht gänzlich erforscht ist. Das subtile Verfremdungsmoment ist omnipräsent, Vertrautes und Nichtvertrautes wird miteinander kunstvoll fusioniert. Die Folge sind Bewusstseinserweiterung und Blickschärfung. Berthold Brecht beschrieb dieses auch in der literarischen Praxis bekannte Verfahren einst mit den paradoxen Worten, „zur Kenntlichkeit entstellt“…

 

Arno C. Schmetjen geht es nicht um Theoriebildung, sondern vielmehr um eine sich in Kunst artikulierende Reflexion über die Möglichkeiten und die Vielgestaltigkeit des Carbons in der Kunst. Das Atelier des Künstlers wird somit zum Laboratorium, zum Ort der Befragung und des künstlerischen Dialogs mit einem Material aus der  modernen Industrie. Carbon ist ihm Stimulans, Reibungsfläche und Katalysator für seine eigene Kreativität, die sich gerade durch das Eingehen auf noch Unbekanntes und Fremdes in ihrer Eigenwilligkeit artikuliert und behauptet.

Überzeitlich schön, mit klassischen Anmutungen versehen, entdeckt, präsentiert und inszeniert Schmetjen das „schwarze Gold“ wie einen neuen Kontinent! Es wird ihm wie ein Jungbrunnen für das eigene Schaffen, mit der er nicht zuletzt als „Kind seiner Zeit“ ein Stück Industrie- und Zukunftsgeschichte beschreibt!
 

Dr. Gabriele Hovestadt, Kunsthistorikerin, 7.7.2013, Kloster Bentlage